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BERLINER ERKLÄRUNG

Gemeinsame Forderungen von 17 Frauenverbänden an die Parteien zur Bundestagswahl 2017

Gespräch mit Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat Die Linke

Gespräch mit Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat der Linken im Rahmen der Aktion „Spitzenfrauen fragen Spitzenkandidaten“ am 01. Juni 2017

1. Eine Forderung des Bündnisses ist die Ausweitung der Quote auf die börsennotierten und vollmitbestimmten Unternehmen sowie auf die verschiedenen Unternehmens-Rechtsformen und härtere Sanktionen. Wie stehen Sie dazu und was wollen Sie dagegen unternehmen? Welche Sanktionsmöglichkeiten sehen Sie?
Die derzeitige Quote von 30 % sei unzureichend, nichtsdestotrotz sei beachtenswert, dass die Quote aus der Union kam. Die Linke sage Ja zur 50-%-Quote, nicht nur bei DAX-Unternehmen. Sanktionen seien eine schwierige Frage, aber je härter die Sanktionen, desto besser. Persönlich wäre Bartsch da etwas vorsichtiger, denn es müsse ein angemessenes Maß erhalten bleiben. In den letzten Jahren wurde einiges erreicht und an diesem Thema müsse man dranbleiben. Wenn DIE LINKE Regierungsverantwortung übernehmen würde, müssten relevante Einigungen erzielt werden bspw. in einem Koalitionsvertrag.
Im Wahlkampf der LINKEN sei die Quote kein großes Thema, da stünden Gerechtigkeit, der soziale Zusammenhalt und Europa im Vordergrund. Bartsch betont, dass für ihn persönlich die Kinderarmut ein sehr wichtiges Thema sei. Man braucht Mut, um diese Auseinandersetzungen zu führen. Das Thema Gleichberechtigung betrifft viele Bereiche der Politik.

2. Gremien (v.a. im öffentlichen Recht) haben einen großen Einfluss auf Politik und Wissenschaft. Haben Sie eine Idee oder ein Rezept was wir aus Ihrer Partei nutzen können um die Gremien frauenmäßig zu stärken?
Bartsch betont, dass im Wahlprogramm der LINKEN steht, dass dies gesetzlich verankert werden soll. Auch bei den LINKEN wurde das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe in der Politik erkämpft und daswar ein Kampf, den zuallererst Frauen geführt haben. Dies sei einer der Bereiche, wo er persönlich die nachhaltigste Entwicklung durchgemacht habe. Mittlerweile erkenne er den Sinn und die Chance der Parität. Man merke aber auch in der Politik, dass noch lange nicht vorbei sei, dass Männer meinten, sie hätten das Sagen. Die einzige Chance, die er sehe, seien Verbandsänderungen etc. und es müssten auch gesetzliche Regelung auf Bundesebene sein, damit es wirkt.
Im Deutschen Bundestag gibt es aktuell noch keine Parität, auch bei wichtigen Institutionen wie dem Bundesverfassungsgericht nicht. Aber er glaube daran, dass es irgendwann eine Bundesregierung geben wird, in der die Hälfte Frauen sind. In der nächsten Legislaturperiode sollte man ein entsprechendes Gesetz in die Debatte bringen, denn die vollständige Quote, auch für die öffentlichen Bereiche, sei der richtige Weg.

3. Welche Möglichkeiten gibt es andere Regelungen zu treffen bzgl. Ehegattensplitting? Gibt es bei den Linken konkrete Ideen?
Bartsch bekräftigt, dass das Ehegattensplitting verändert werden kann und vor allem verändert werden muss. Auch hier wurde bereits eine Tür geöffnet, nun müsse man die Chance nutzen und diese Tür auch ganz öffnen. Er sagt, man müsse von dem traditionellen Bild der Ehe und Familie wegkommen, denn heute sei gäbe es eine andere Situation, auch aufgrund der aktuellen Entwicklungen wie bspw. Globalisierung oder der Veränderungen der Arbeitswelt. Der Fokus müsse auf denjenigen liegen, die in den neuen Strukturen arbeiten (bspw.: Selbstständige am Computer), denn diese würden bisher nicht wirklich beachtet (z.B. von den Gewerkschaften). Darin liege eine wirkliche Aufgabe, diese zunehmend große Zahl nicht aus dem Fokus zu verlieren.
Der Mindestlohn sei hilfreich und die LINKE fordere eine Erhöhung auf 12 €. Überdurchschnittlich würden Frauen davon profitieren. Zuallererst sei es die Aufgabe der Gewerkschaften, die dafür kämpfen müssten. Für die Forderung nach höherem Mindestlohn bekomme man schnell eine Mehrheit, aber wichtig sei auch darüber zu sprechen, wie das Land finanzpolitisch und haushaltspolitisch zusammengehalten wird, denn darüber habe es in den letzten Jahren fast keine Debatten gegeben. Dazu gehört auch, Mut zu haben und über die Verteilung der Finanzen und Privatvermögen zu sprechen, um die öffentliche Hand zu stärken und um bestimmte Löhne bezahlen zu können. Die Frage sei, welche großen gesellschaftlichen Themen man angehen muss, um das zu realisieren.

4. Mädchen müssen aus den typischen Frauenberufen raus. Aber: auch Männer müssen für die sozialen Berufe begeistert werden. Eine mögliche Lösung wäre die ökonomische Gleichstellung der sozialen Berufe und das Image durch entsprechende Schulfächer zu verbessern bzw. Schulfächer ausweiten zu bspw. Lebensökonomie. Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu?
Bartsch macht klar, dass die Politik nur begrenzt Einfluss habe, dies sei eher eine Aufgabe der Gewerkschaften. Bei der GdL bspw. haben viele Frauen des Zugbegleitpersonals durch den Tarifvertrag relevante Lohnsteigerungen erhalten. Generell muss viel mehr dafür gesorgt werden, dass alle Schülerinnen und Schüler, auch die nicht so privilegierten, eine gewisse „Lebensfähigkeit“ mit auf den Weg bekommen. Entsprechende Schulfächer sind hier ein gutes Beispiel. Das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

5. Welche konkreten Instrumente können Sie sich vorstellen um die Gleichstellung von Frauen auf Bundesebene voran zu bringen und wie kann Gender Budgeting sichergestellt werden? 
Bartsch bestätigt, dass Gender Budgeting bei den LINKEN auch eine Rolle spiele und vor allem auch für die Länder gefordert werde. Zusätzlich werde auch ein Aktionsplan (5-Jahresplan) gefordert mit Zielstellungen für Themen wie bspw. Kinderarmut bekämpfen, Sexismus etc. Bartsch weist auch darauf hin, dass derzeit alle Ministerien eine Gleichstellungsbeauftragte haben und das Thema überall einen Stellenwert habe, damit aber die Forderungen natürlich noch nicht realisiert seien.

6. Gleichstellungspolitik muss eine Querschnitts Aufgabe sein. Instrumente wie bspw. Fachreferate, Monitoring, Service-, Beratungs- und Transferstellen können dabei helfen. Was halten Sie von diesen Vorschlägen?
Bartsch bestätigt, dass das Monitoring ein entscheidender Punkt sei, denn dies ist ein erster, wichtiger Schritt. Partiell wird dies schon gemacht, aber nicht umfangreich genug. Zusätzlich brauche es wirksame Sanktionen, sonst sei es „nur eine Galerie“, so Bartsch. „Wo Frauen an der Spitze stehen ist das Haus nicht automatisch besser“ (Bartsch). Die Fördermittelvergabe sei ein ganz zentraler Punkt und ohne Sanktionsmechanismen funktioniere es nicht. Die wichtigen Fragen sind: was soll passieren und wie soll es passieren? Darüber müsse man nachdenken.

7. Bei den Sanktionen bei Aufsichtsräten haben Sie keine konkreten Maßnahmen genannt. Was Sie fordern für die Bundesebene ist das eine, die Länderebene ist das andere. Welche Sanktionen fordern Sie bei nicht Einhaltung?
Bartsch fügt hinzu, was die Aufsichtsräte betrifft, erfasse die Quote viel zu wenige Unternehmen. Die Partei wünsche sich eine Ausdehnung der derzeitigen 30 %. Am Ende müsse sanktioniert werden. Bartsch könnte sich auch finanzielle Sanktionen vorstellen, wie z.B. bei der Beschäftigungspflicht für Menschen mit Behinderung.

Das Gespräch führte Barbara Rohm, Vorstand Pro Quote Regie

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Weitere Bundesprogramme zur Förderung von Frauen in technischen Berufen
Nachhaltige Bundesprogramme mit spezifischen Angeboten für Mädchen und junge Frauen entlang der Bildungskette für MINT und digitale Technologien, damit sie als gleichberechtigte Gestalterinnen an digitalen und technischen Entwicklungen mitwirken können.

Schulfach Lebensökonomie
Darin sollen gesellschaftsrelevante und ökonomische Kenntnisse vermittelt werden, wie beispielsweise gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge, privates Finanzmanagement, verbraucherrechtliche Fragen, die Folgen von Berufswahl, Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit in der Partnerschaft sowie die Auswirkungen des eigenen Handelns auf Umwelt, Klima und Ernährung.

  • Erhöhung der Partnermonate.
  • Familieneinkommen als Bemessungsgrundlage.
  • Familienarbeitszeit.
  • Einführung einer Freistellung des zweiten Elternteils nach der Geburt in Anlehnung an den Mutterschutz.
  • Anpassung des Mutterschutzes für berufstätige Schwangere im Gesundheitswesen, damit sie qualifiziert in ihrem Beruf weiterarbeiten können.
  • die Ratifizierung der ILO Resolution 190;
  • die Reform des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) um bestehende Lücken, wie bei Studierenden, zu schließen;
  • die konsequente Anwendung vorhandener Regelungen wie der Beschwerdestellen in den Betrieben, die bekannter und wirksamer gemacht werden müssen.

Geschlechtergerechte Ausgestaltung der Digitalisierung
Die Voraussetzung um die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können, ist der Zugang zu Hard- und Software sowie zu schnellem Internet. Es sollen gesetzliche Regelungen für Erklärbarkeit und Überprüfung von diskriminierungsfreien Algorithmen und KI-Anwendungen geschaffen werden. (z.B. Personalgewinnung und -entwicklung, Arbeitsplatzbewertung, Kredit-vergaben).

  • insbesondere durch Jobsharing in Führungspositionen.
  • Einführung des bundesweiten Ganztagsanspruch für Kita und Grundschule.
  • Umsetzung der Rechte zum Schutz von Eltern.
  • Flexibilisierung und Individualisierung von Arbeitsmodellen, familien-bewusste Führung, etc.
  • Strikte Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in Kliniken (ggf. Sanktionen).
  • Vereinfachung des Verfahrens im Entgelttransparenzgesetz, damit die zu erlangenden Informationen aussagekräftiger werden;
  • Konkretisierung der Verpflichtung zur Durchführung zertifizierter, umfassender Prüfverfahren zur Entgeltanalyse;
  • wirksame Sanktionen für Unternehmen, die die Prüfung und Erfüllung der Berichtspflicht unterlassen.
  • Die priorisierte staatliche Unterstützung medizinischer Forschungsvorhaben mit klarem Genderbezug (bereits in der Grundlagenforschung) sowie die verbindliche Verankerung geschlechtsspezifischer Medizin in der Lehre aller medizinischen Fächer der Approbationsordnung.
  • Genderspezifische Berichterstattung im öffentlichen Gesundheitswesen durch relevante Institutionen (z.B. RKI).

Stufenplan zur Herstellung von Parität in Vorständen und Aufsichtsräten privater und öffentlicher (mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes) Unternehmen, sowie Körperschaften/Anstalten des öffentlichen Rechts:

UnternehmensartAufsichts-/ VerwaltungsratVorstand / Geschäftsführung
Börsennotiert und voll mitbestimmtMind. 40% bei Neubesetzungen
Ab 2026 Parität
Ab 2026 mind. 40%
Ab 2030 Parität
Börsennotiert oder mitbestimmt sowie die zusätzlichen UnternehmensformenMind. 30% bei Neubesetzungen
Ab 2026 mind. 40%,
Ab 2030 Parität
Vorstand >3 P, mind. 1 Frau Vorstand >5 P, mind. 33%
Ab 2026 mind. 40%
Ab 2030 Parität
Bundesunternehmen (Mehrheitsbeteiligungen) Körperschaften/Anstalten des öffentlichen RechtsAb 2026 ParitätMind. 40% bei Neubesetzungen
Ab 2030 Parität