Gespräch mit Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlandes, stellvertretend für Bundeskanzlerin Angela Merkel, Spitzenkandidatin der CDU im Rahmen der „Berliner Erklärung 2017“ am 31. Mai 2017
1. Was denkt Ihre Partei über eine Ausweitung der Quote auf Unternehmen, die entweder börsennotiert sind oder der vollen Mitbestimmung unterliegen, sowie auf die verschiedenen Unternehmensrechtsformen? Und welche Sanktionen können Sie sich vorstellen?
Annegret Kramp-Karrenbauer stellt klar, dass sie grundsätzlich viel Einigkeit mit den Zielen der Berliner Erklärung sieht. Das Quotengesetz in der vergangenen Legislaturperiode sei ein wichtiger und wirkungsvoller Schritt. Die Statistiken zu Frauen in Aufsichtsräten weisen in die richtige Richtung. Es gebe bereits die Sanktion des leeren Stuhls, aber sie wolle nicht ausschließen, dass man zu weiteren Anpassungen komme. Zunächst jedoch solle die Wirkung des gegenwärtigen Gesetzes geprüft werden.
2.Wie kann die Quotierung bei der Vergabe öffentlicher Gelder und eine paritätische Besetzung von Gremien Ihrer Meinung nach stärker eingefordert werden?
Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützt die Grundforderung, z.B. in der Besetzung von Kommissionen zur Entgeltfestlegung in Tarifverhandlungen. Sanktionen seien hier schwer anwendbar, aber es könne erst mal ein Bewusstsein für eine stärkere Beteiligung von Frauen geschaffen werden.
Bei der festen Quotierung für öffentliche Auftragsvergaben zeigt sich Annegret Kramp-Karrenbauer dagegen skeptisch, da dies rechtlich nicht einfach zu regeln sei. Ihre persönliche Erfahrung zeige, dass es dort, wo es gelinge, mehr Frauen einzubringen, automatisch zu einem Umdenken komme.
3. Welche Ideen gibt es von der CDU aus, Alternativen zum Ehegattensplitting zu schaffen?
Die CDU habe sich dafür ausgesprochen, das Ehegattensplitting weiterzuentwickeln in Richtung einer stärkeren Kinderförderung. Das Ehegattensplitting solle aber nicht ganz abgeschafft werden, weil mit ihr die Idee der Erwerbs- und Verantwortungsgemeinschaft verbunden sei. Wichtig sei vor allem eine Bewusstseinsbildung bei Frauen darüber, dass nur die eigene Vollerwerbstätigkeit die ökonomische Unabhängigkeit sicherstellt.
4. Was halten Sie von der Idee, Schulfächer einzuführen wie beispielsweise Wirtschaft und Lebensökonomie oder Informatik/Technik, um mit stereotypen Berufsbildern aufzuräumen, auch Männer für soziale Berufe zu begeistern und die Pflegeberufe finanziell attraktiver zu gestalten?
Annegret Kramp-Karrenbauer macht deutlich, dass das Berufswahlverhalten von Frauen geweitet werden und frei von stereotypen Rollenmustern sein müsse. Es dürfe allerdings auch nicht darauf hinauslaufen, dass soziale Berufe aufgrund ihrer schlechteren Bezahlung als unattraktiv gelten. Sowohl für Mädchen als auch für Jungen sollten bei der Berufswahl Bezahlung, Vereinbarkeit und Weiterentwicklungsmöglichkeiten entscheidend sein. Im Saarland habe man gute Erfahrung mit Personalschlüsseln in Krankenhäusern gemacht. Deutschland brauche mehr Instrumente wie dieses. Außerdem müsse ein Bewusstsein bei jungen Frauen für die ökonomische Seite ihrer Erwerbsbiographie von der Ausbildung bis zur Rente geschaffen werden. Anstelle eines eigenen und zusätzlichen Lehrfachs empfiehlt Annegret Kramp-Karrenbauer eher unterrichtsübergreifende Projekte zu Themen wie bspw. Kontoführung und soft skills oder verpflichtende Module, wie sie Bayern im Bereich Informatik eingeführt habe.
5. Werden Themen wie Gleichstellung als Querschnittsaufgabe und entsprechendes Monitoring in Ihrer Partei diskutiert?
Annegret Kramp-Karrenbauer unterstreicht, dass sie persönlich ein funktionierendes Monitoring für wichtig halte und dass dieses Thema durchaus von der Frauen Union vorangetrieben werde. In der CDU generell herrsche allerdings eher Skepsis aus Sorge vor bürokratischem Mehraufwand vor allem in Wirtschaftsbereichen.
Ein Monitoring dürfe allerdings keine bloße Pflichtübung sein, es müsse im Gegenteil gut aufgesetzt sein, um aussagekräftige Analysen und die Überprüfung von Zielvorgaben zu ermöglichen. Jubiläen seien ein guter Anlass für einen nationalen Monitoringprozess. Die nächste Legislaturperiode (100 Jahre Wahlrecht) eigne sich gut, um den Blick nach vorne zu wagen und diesen Prozess in Gang zu setzen.
Mit Blick auf Frankreich weist Kramp-Karrenbauer darauf hin, dass Parität nicht allein quantitativ, sondern vor allem qualitativ erreicht werden müsse.
6. Welche konkreten Instrumente können Sie sich vorstellen und einsetzen, um auf Bundesebene die Gleichstellung von Frauen voranzubringen, auch verbunden mit Gender Budgeting?
Bei aller Übereinstimmung mit dem Gleichstellungsziel weist Annegret Kramp-Karrenbauer darauf hin, dass viele Gender-Debatten in der Vergangenheit von Teilen der Gesellschaft negativ wahrgenommen worden seien. Der Begriff habe viel Diffamierungspotential, daher müsse man strategisch überlegen, wie bestimmte Gleichstellungsthemen platziert werden, um die Debatte erfolgreich zu lenken.
Die Herausforderung sei vielmehr, wie man über alle Ministerien auf Bundesebene hinweg ein Verständnis über Gender-Mainstreaming erzielt; eine Ministerin für Gleichstellung löse das Problem nicht.
Ein Gender-Budgeting könne mit Statistiken über die Frage „Wie viele der öffentlichen Ausgaben kommen per se Frauen zu Gute?“ einen ersten Schritt gehen. Für das Monitoring sei vor allem wichtig, dass klar wird, zu welchem Prozentsatz Frauen zu den Steuereinnahmen beitragen und zu welchem Prozentsatz es ihnen zu Gute kommt.
7. Die Politik sollte ein Vorbild für Arbeitgeber sein. Wie geht es, dass Sie Quoten für die Wirtschaft befürworten, aber in der Politik davon Abstand nehmen?
Annegret Kramp-Karrenbauer betont, dass die Politik in Sachen Frauenbeteiligung in der Tat noch nicht so weit sei. Sie verweist auf die Schwierigkeiten, Frauen z.B. für die Kommunalpolitik zu gewinnen. Den Vorschlag von Quotierungen bei der Listenaufstellung für Wahlentscheidungen unterstützt Kramp-Karrenbauer. Bei den Entscheidungen über die Kandidaten für Direktwahlkreise könne man immer potentielle Kandidaten beider Geschlechter vorsehen.
8. In Frankreich verteilt sich die steuerliche Belastung abhängig von der Anzahl der Familienmitglieder. Könnte das auch für Deutschland ein Modell sein?
Annegret Kramp-Karrenbauer macht deutlich, dass sie sich einen konkreten Entlastungsvorschlag für Familien im CDU-Wahlprogramm wünscht. Sie weist außerdem darauf hin, dass sie zur Förderung der Frauenerwerbstätigkeit einen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit befürwortet. Sie bedauert das Scheitern dieses Gesetzes, das mit etwas mehr Flexibilität von beiden Seiten der Koalition durchaus hätte beschlossen werden können.
Das Gespräch moderierte Claudia Große-Leege, Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen (VdU) e.V.