Gespräch mit Katja Suding, Spitzenkandidatin der FDP mit den Vertreterinnen der Berliner Erklärung 2017 am 01. Juni 2017
- Die FDP sagt, dass mehr Frauen in Führungspositionen müssen, aber ohne die gesetzliche Quote. Wie wollen Sie das ohne die Quote erreichen? Welche Instrumente schlagen Sie vor, um auch in der freien Wirtschaft die Parität sicherzustellen?
Suding betont, dass die Politik die Rahmenbedingungen gestalten müsse, aber es sei nicht Aufgabe der Politik, in die Vertragsfreiheit einzugreifen, was sie aber derzeit tue. Sie sei nicht der Ansicht, dass das Ziel, mehr Frauen in Führungsposition zu bekommen, diesen Eingriff berechtigt. „Ohne die Quote braucht man einen längeren Atem, aber in der Abwägung der Güter reicht es nicht aus, in die freie Wirtschaft einzugreifen“ (Suding). Auf den Hinweis der Verbände, dass es unter den jetzigen Bedingungen noch 80 Jahre dauern würde, bis das Ziel der Gleichstellung erreicht sei, erwidert Suding, dass sich die Situationen täglich ändern würden und man bereits in den letzten 10 Jahren viel erreicht habe. Daher stelle sich für sie die Frage, ob es wirklich weitere 80 Jahren dauern würde, bis das Ziel erreicht sei.
- Wenn nicht die Quote, welchen Anreiz wollen Sie bieten, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen?
Die Politik könne nur Rahmenbedingungen schaffen. Dafür müsse die Bildung moderner und besser werden, Mädchen müssen ermuntert werden, in Männerdomänen zu gehen, gleichzeitig müsse es aber auch Männern erleichtert werden, in klassische Frauenberufe zu gehen. Da sind alle gefragt: die Frauen, die Gesellschaft, die Unternehmen, die Politiker.
- Im Bereich der Medien, Kultur und Medizin gibt es viele öffentliche Gelder – die Politik ist hier in großer Verantwortung. Daher die Forderung der Verbände: Bei der Vergabe von Fördermitteln und öffentlichen Aufträgen die Quotierung und den Begriff der Parität genauer zu betrachten und beachten, denn ein paritätisch besetztes Gremium hat Auswirkungen auf die Vergabe der Gelder. Wie denkt die FDP hier über eine Quote?
Suding stellt in Frage, ob es wirklich so ist, dass die Vergabe von Fördergeldern derzeit hauptsächlich Männern zu Gute kommt. Daraufhin wird aus den Verbänden das Beispiel der Ärzte und Medienbranche angebracht. Suding fragt, was die Ursachen von bspw. dem Überschuss an Männern in Chefarztpositionen sind. Sie glaube nicht, dass man das nur mit der gläsernen Decke erklären könne. Gerade bei der Verwendung von Steuergeldern habe Sie ein Problem damit, wenn man 40% Frauen berücksichtigen müsse. Es gebe eine hohe Verantwortung bei Steuergeldern und es gebe viel Nachdruck, dass nur die Besten die Gelder bekommen.
- Wie steht die FDP zu der aktuellen Diskussion um das Ehegattensplitting?
Katja Suding bestätigt, dass die FDP in ihrem Wahlprogramm am Splitting festhalte. Auf Nachfrage aus den Verbänden, ob es für die FDP keine alternativen Steuermodelle gebe, antwortet Katja Suding, dass sie persönlich das Ehegattensplitting für das falsche Instrument halte. Es gebe viele Kinder, die nicht mehr in Ehen hineingeboren werden und davon nicht profitieren, außerdem viele Trennungen und Scheidungen. Daher sei das bestehende Steuerrecht ungerecht und sorge für eine Fehlsteuerung in der Beschäftigungspolitik für Frauen. Das Splitting sei ein Anreiz für Frauen (oder Männer) nicht zu arbeiten. Eine Alternative wären höhere Freibeträge für Kinder, unabhängig von der rechtlichen Beziehung der Eltern, die die FDP in ihrem Wahlprogramm auch fordert.
- Glauben Sie, dass Schulen dazu beitragen können, dass mehr Frauen in Männerberufe kommen? Und glauben Sie, dass wenn mehr Männer in Frauenberufe gehen, diese besser bezahlt werden? Wenn die Frauen in die MINT Fächer gehen, wer soll die sozialen Berufe leisten?
Suding sagt, sie wünsche sich eine Gesellschaft, in der jeder Mensch, unabhängig vom Geschlecht, sich seinen eigenen Weg suchen könne. Es sei immer noch so, dass mehr Männer in die MINT Berufe gehen. Persönlich war sie auf einer Mädchenschule und habe dort die Erfahrung gemacht, dass das klassische Mann/Frau denken dort nicht so gelehrt wurde und davon profitiere sie noch heute. Selbstverständlich wurden Mathe- und Physikkurse belegt, doch das Modell zeigt, dass eine Sensibilität für Rollenmuster etwas bewirken können und dass man Kinder insbesondere durch frühe Erziehung lenken könne. Zurück zu der Frage, wie man diese Änderungen und das Umdenken schaffen könne, sagt Suding, dass man bereit sein müsse, Männer und Frauen besser zu bezahlen. Man wird nicht drum herum kommen, vor allem auf die erzieherischen Berufe betrachtet, man muss besser bezahlen. Auch wegen des Fachkräftemangels. Man braucht auch mehr Personen, die ein Studium in bestimmten Bereichen absolvieren bspw. für Leitungspositionen. Auch müsse leistungsgerechter bezahlt werden und Anreize geschaffen werden. Auf die Nachfrage, ob sie glaube, dass es helfen würde, entsprechende Schulfächer zu haben, sagt Suding, dass sie sich das Fach Wirtschaft wünschen würde. Lebensökonomie hingegen sieht sie eher als Querschnittsthema. Dass generell in der Schulbildung auch mehr Alltagsbildung gebraucht werde, sei unumstritten.
- Was sind Ihre Einschätzung und konkreten Ideen für die Umsetzung von Gender Budgeting und Monitoring in der Politik?
Ein gutes Beispiel sei das Hamburger Haushaltssystem, denn dieses ist Output orientiert. Hier gebe es auch Gender spezifische Kennzahlen, die immer wieder angeschaut würden. Das sei durchaus sinnvoll und hier könne man einiges erreichen.
- Bei der FDP werden benachteiligende Strukturen ausgeblendet, die gehören für Sie nicht zu den Rahmenbedingungen? Jenseits der Vereinbarkeit: warum sollen unsere Mitglieder sie wählen?
„Weil wir die Partei sind, die unabhängig von Mann und Frau daran glaubt, dass jeder im Leben die besten Chancen bekommen kann und dafür die Strukturen entsprechend schafft.“ Suding
Das Gespräch führte Sieglinde Schneider, Präsidentin European Women’s Management Development International Network (EWMD) e.V.