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BERLINER ERKLÄRUNG

Gemeinsame Forderungen von 17 Frauenverbänden an die Parteien zur Bundestagswahl 2017

Offener Brief vom 26.1.2018 an die Verhandlungsführer der Koalitionsgespräche

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Vorsitzende der CDU
Horst Seehofer, Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Vorsitzender der CSU
Martin Schulz, Vorsitzender der SPD

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

der kanadische Premierminister Justin Trudeau wird im Rahmen des G7-Vorsitzes von Kanada die Gleichstellung der Geschlechter in den Mittelpunkt der politischen Agenda rücken. Dies hat er bei seiner Rede auf dem Weltwirtschaftsforum 2018 in Davos nochmals bekräftigt.

Vor diesem Hintergrund ist es völlig unverständlich, dass bei den Sondierungen zur Bildung einer Bundesregierung die Gleichstellungspolitik bisher als Randthema behandelt wurde.
Trudeaus Positionierung sollte für alle am Verhandlungstisch als Zielmarke dienen. Da wäre ein „we too“ eine klare Botschaft. Lippenbekenntnisse und ein „Weiter so“ reichen uns nicht!

Die in der Berliner Erklärung 2017 zusammengeschlossenen Frauenverbände akzeptieren keine gleichstellungspolitischen Lücken in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD. Im bisherigen Sondierungspapier fehlen verbindliche Maßnahmen, über die in den wesentlichen Fragen der gleichberechtigten Teilhabe, der gleichen Bezahlung und dem Monitoring von Gleichstellungspolitik konkrete Fortschritte erzielt werden können. Substanzielle Verbesserungen und eine Agenda für Gleichstellung sind der Gradmesser für die Ernsthaftigkeit der nächsten Regierung.

Als führende Frauenverbände, die die Interessen von 12,5 Millionen Frauen in Deutschland vertreten, fordern wir von den Koalitionsgesprächen in den drei zentralen Themenbereichen Frauen in Führungspositionen, Entgeltgleichheit sowie Verbindlichkeit, Transparenz und Monitoring von Gleichstellungspolitik verpflichtende Schritte und gesetzliche Maßnahmen.

  1. Gleiche Teilhabe

Für die Privatwirtschaft fordern wir:

  • für die Aufsichtsräte auch der Unternehmen, die entweder börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, eine feste Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent bei Neubesetzungen ab 2019 sowie ihre Ausweitung auf alle Unternehmensrechtsformen (SE, Ltd & Co KG), auch ausländische (britische Public Limited Company)
  • für die operativen Führungsebenen (Vorstand und zumindest die beiden darunterliegenden Ebenen) eine Zielgröße von jeweils mindestens 30 Prozent Frauen sowie
  • die Einführung wirksamer Sanktionen:
    • für den Fall der Nichterreichung der Geschlechterquote in Aufsichtsräten, z.B. leerer Stuhl, Nichtigkeit von Beschlüssen
    • für den Fall, dass die transparente Veröffentlichung von Zielgrößen oder von Gründen für ihre etwaige Nichterreichung unterlassen wird, z.B. finanzielle Sanktionen, Einschränkung des Prüfvermerks
    • für den Fall der Nichterreichung der mindestens 30 Prozent-Zielgröße z.B. die Pflicht, die Gründe im Einzelnen nachvollziehbar offenzulegen und von einer geeigneten Stelle überprüfen zu lassen, die öffentlich hierzu Stellung nimmt.

Für die Bereiche Medien, Kultur, Medizin und Wissenschaft fordern wir:

  • die paritätische Besetzung der jeweiligen Aufsichts-, Beratungs- und Vergabegremien (wie z.B. Fördermittelentscheidungsgremien, Selbstverwaltungsgremien, gewählte Ärztegremien, Berufungskommissionen),
  • die Vergabe öffentlicher Aufträge und Fördermittel an mindestens 40 Prozent Frauen,
  • verbindliche Zielgrößen von mindestens 30 Prozent Frauen in den jeweiligen Führungspositionen.

Für Politik und Parlamente fordern wir:

  • in der kommenden Legislaturperiode für die Wahlen zum Bundestag ein verfassungskonformes Paritätsgesetz auf den Weg zu bringen.
  1. Weitere Schritte in Richtung Entgeltgleichheit

Das Entgelttransparenzgesetz allein wird die Entgeltgleichheit nicht durchsetzen. Weitere strukturelle Maßnahmen sind erforderlich, die auch vor einer Evaluation des Entgelttransparenzgesetzes erfolgen können.

Die Berliner Erklärung 2017 fordert von CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag 2018 folgende gesetzliche Maßnahmen festzuschreiben:

  • Die Einführung transparenter, umfassender, zertifizierter Prüfverfahren zur geschlechterdifferenzierten Entgeltanalyse in allen Betrieben mit Betriebsratspflicht.
  • Die Abschaffung des Ehegattensplittings in seiner jetzigen Form bei angemessenen Übergangszeiten, mindestens aber als Einstieg in eine diskriminierungsfreie Besteuerung die Reform des Lohnsteuerverfahrens (Abschaffung der Lohnsteuerklasse V).
  • Zudem ist die Abschaffung des Schulgeldes ebenso bei Erzieherinnen und Erziehern notwendig, nicht – wie im Sondierungspapier geplant – nur bei Heilberufen.
  1. Verbindlichkeit, Transparenz und Monitoring von Gleichstellungspolitik

Bereits jetzt ist die Gleichstellung von Frauen und Männern nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung als „durchgängiges Leitprinzip“ zu verfolgen. Für die Umsetzung dieses Anspruchs fehlt es allerdings an Strukturen. Wie wir wissen, ist Deutschland im europäischen Vergleich allenfalls Mittelmaß, wenn es um Gleichstellungsfragen geht. Es ist an der Zeit, dass es – wie in anderen Ressorts bereits selbstverständlich – eine Einrichtung gibt, die Gleichstellungspolitik mit externem, praxisrelevantem Wissen flankiert: ein Gleichstellungsinstitut. Gleichstellungspolitik muss durch eine wissensbasierte Begleitung aufgewertet werden, die der Gleichstellung in Deutschland ein neues Fundament geben kann. Politische Maßnahmen im Bereich der Gleichstellung sollten kontinuierlich flankiert und die Wirkung von gesetzlichen Maßnahmen ausgewertet werden. Die Empfehlungen des von der Bundesregierung verabschiedeten Gleichstellungsberichts müssen umgesetzt werden.

Die Gleichberechtigung der Geschlechter muss demnach in der Lebenswirklichkeit umgesetzt werden, bei der Umsetzung dieses Anspruchs sehen wir noch hohen Handlungsbedarf. Frauen haben ein Recht auf die Erfüllung des Auftrags der Gleichberechtigung, wie ihn Art. 3 Abs. 2 GG formuliert.

Mit freundlichen Grüßen

die 17 Initiatorinnen der Berliner Erklärung 2017

Das überfraktionelle Bündnis der Berliner Erklärung existiert seit 2011. Aktuell gehören ihm 17 Frauenverbände als Initiatorinnen an:
Business und Professional Women (BPW) Germany, 1.600 Mitglieder (Deutschland) 30.000 Mitglieder in 100 Ländern, Uta Zech, Präsidentin www.bpw-germany.de
Deutscher Ärztinnenbund e.V. (DÄB), 1.800 Mitglieder, Dr. Christiane Groß M.A., Präsidentin www.aerztinnenbund.de
Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im DAV, 270 Mitglieder, Silvia Groppler, Vorsitzende www.davanwaeltinnen.de
Deutscher Frauenrat (DF), Dachverband von 60 Mitgliedsverbänden, in denen mehr als 12 Millionen Frauen organisiert sind. Mona Küppers, Vorsitzende www.frauenrat.de
deutscher ingenieurinnenbund e.V. (dib), 400 Mitglieder, Sylvia Kegel, Vorstand www.dibev.de
Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb), 2.700 Mitglieder, Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin www.djb.de
Deutscher LandFrauenverband e.V. (dlv), 500.000 Mitglieder, Brigitte Scherb, Präsidentin www.landfrauen.info
EAF Berlin | Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, 2.000 Unterstützer/innen, Dr. Helga Lukoschat, Vorsitzende www.eaf-berlin.de
European Women’s Management Development International Network e.V. (EWMD Deutschland), 470 Mitglieder in Deutschland; 900 Mitglieder europa- und
weltweit, Ariane Bischoff, President www.ewmd.org
FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V., 750 Mitglieder, Monika Schulz-Strelow, Präsidentin www.fidar.de
Frauen im Management e.V. (FIM), 180 Mitglieder, Bärbel Jacob, Bundesvorstand www.fim.de
Journalistinnenbund e.V. (jb), 400 Mitglieder, Rebecca Beerheide, Vorsitzende www.journalistinnen.de
ProQuote Medien e.V., 200 Mitglieder, 5.000 Unterstützerinnen und Unterstützer, Maren Weber, Vorsitzende www.pro-quote.de
ProQuote Medizin, 700 unterstützende Unterschriften, davon 80 Professoren und Professorinnen, Prof. Dr. Gabriele Kaczmarczyk, Initiatorin pro-quote-medizin.de
ProQuote Regie e.V., 1000 Unterstützer*innen, Barbara Rohm, Vorsitzende www.proquote-regie.de
Verband deutscher Unternehmerinnen e.V. (VdU), 1.800 Mitglieder und Interessentinnen, 16 Landesverbände, Stephanie Bschorr, Präsidentin www.vdu.de
Working Moms – Pro Kinder Pro Karriere e.V. (WM), 450 Mitglieder, Ina Steidl, Vorsitzende Verbandsvorstand www.workingmoms.de

Folgende Verbündete tragen die Forderungen der Berliner Erklärung 2017 mit:
BAG kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen www.frauenbeauftragte.de
Bücherfrauen e.V. www.buecherfrauen.de
bukof – Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen www.bukof.de
Deutscher Akademikerinnenbund e.V. www.dab-ev.org
Digital Media Women www.digitalmediawomen.de
Fondsfrauen www.fondsfrauen.de
Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V. www.immofrauen.de
Landesfrauenrat Berlin e.V. www.lfr-berlin.de
Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz e.V. www.landesfrauenrat-rlp.de
Pro Quote Bühne e.V. www.proquote-buehne.deSoroptimist International Deutschland www.soroptimist.de
Union deutscher Zonta Clubs www.zonta-union.de
Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bundesverband e.V. www.vamv.de
Verband berufstätiger Mütter (VBM) e.V.: www.vbm-online.de

Webgrrls.de www.webgrrls.de
Women in Film and Television Germany (WIFTG): www.wiftg.de

Weitere Informationen: www.berlinererklaerung.de

Pressekontakt: Monika Schulz-Strelow, Präsidentin FidAR e.V., Tel: 030 887 14 47 16

Offener Brief der Berliner Erklärung an
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Vorsitzende der CDU (Brief zum Download)
Horst Seehofer, Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Vorsitzender der CSU
Martin Schulz, Vorsitzender der SPD

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Weitere Bundesprogramme zur Förderung von Frauen in technischen Berufen
Nachhaltige Bundesprogramme mit spezifischen Angeboten für Mädchen und junge Frauen entlang der Bildungskette für MINT und digitale Technologien, damit sie als gleichberechtigte Gestalterinnen an digitalen und technischen Entwicklungen mitwirken können.

Schulfach Lebensökonomie
Darin sollen gesellschaftsrelevante und ökonomische Kenntnisse vermittelt werden, wie beispielsweise gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge, privates Finanzmanagement, verbraucherrechtliche Fragen, die Folgen von Berufswahl, Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit in der Partnerschaft sowie die Auswirkungen des eigenen Handelns auf Umwelt, Klima und Ernährung.

  • Erhöhung der Partnermonate.
  • Familieneinkommen als Bemessungsgrundlage.
  • Familienarbeitszeit.
  • Einführung einer Freistellung des zweiten Elternteils nach der Geburt in Anlehnung an den Mutterschutz.
  • Anpassung des Mutterschutzes für berufstätige Schwangere im Gesundheitswesen, damit sie qualifiziert in ihrem Beruf weiterarbeiten können.
  • die Ratifizierung der ILO Resolution 190;
  • die Reform des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) um bestehende Lücken, wie bei Studierenden, zu schließen;
  • die konsequente Anwendung vorhandener Regelungen wie der Beschwerdestellen in den Betrieben, die bekannter und wirksamer gemacht werden müssen.

Geschlechtergerechte Ausgestaltung der Digitalisierung
Die Voraussetzung um die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können, ist der Zugang zu Hard- und Software sowie zu schnellem Internet. Es sollen gesetzliche Regelungen für Erklärbarkeit und Überprüfung von diskriminierungsfreien Algorithmen und KI-Anwendungen geschaffen werden. (z.B. Personalgewinnung und -entwicklung, Arbeitsplatzbewertung, Kredit-vergaben).

  • insbesondere durch Jobsharing in Führungspositionen.
  • Einführung des bundesweiten Ganztagsanspruch für Kita und Grundschule.
  • Umsetzung der Rechte zum Schutz von Eltern.
  • Flexibilisierung und Individualisierung von Arbeitsmodellen, familien-bewusste Führung, etc.
  • Strikte Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in Kliniken (ggf. Sanktionen).
  • Vereinfachung des Verfahrens im Entgelttransparenzgesetz, damit die zu erlangenden Informationen aussagekräftiger werden;
  • Konkretisierung der Verpflichtung zur Durchführung zertifizierter, umfassender Prüfverfahren zur Entgeltanalyse;
  • wirksame Sanktionen für Unternehmen, die die Prüfung und Erfüllung der Berichtspflicht unterlassen.
  • Die priorisierte staatliche Unterstützung medizinischer Forschungsvorhaben mit klarem Genderbezug (bereits in der Grundlagenforschung) sowie die verbindliche Verankerung geschlechtsspezifischer Medizin in der Lehre aller medizinischen Fächer der Approbationsordnung.
  • Genderspezifische Berichterstattung im öffentlichen Gesundheitswesen durch relevante Institutionen (z.B. RKI).

Stufenplan zur Herstellung von Parität in Vorständen und Aufsichtsräten privater und öffentlicher (mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes) Unternehmen, sowie Körperschaften/Anstalten des öffentlichen Rechts:

UnternehmensartAufsichts-/ VerwaltungsratVorstand / Geschäftsführung
Börsennotiert und voll mitbestimmtMind. 40% bei Neubesetzungen
Ab 2026 Parität
Ab 2026 mind. 40%
Ab 2030 Parität
Börsennotiert oder mitbestimmt sowie die zusätzlichen UnternehmensformenMind. 30% bei Neubesetzungen
Ab 2026 mind. 40%,
Ab 2030 Parität
Vorstand >3 P, mind. 1 Frau Vorstand >5 P, mind. 33%
Ab 2026 mind. 40%
Ab 2030 Parität
Bundesunternehmen (Mehrheitsbeteiligungen) Körperschaften/Anstalten des öffentlichen RechtsAb 2026 ParitätMind. 40% bei Neubesetzungen
Ab 2030 Parität